Aus: "dran 5/1996" (Juni 1996)
Autor: Jörg Schwehn, Jan Willem Vink
Web-Site: http://www.dran.de
»» Musik-Redakteur Jörg Schwehn war nicht enttäuscht,
aber überrascht nach seiner Begegnung mit den Newsboys: "Ich
hätte sie mir witziger vorgestellt."
Wenn
aus Newsboys Newsmen werden ...
Jörg Schwehn
... dann ist das lediglich ein zutreffendes Wortspiel. Die Newsboys
bleiben natürlich beim bewährten Namen. Ein bißchen
reifer, ein bißchen erwachsener und ein bißchen besser sind
sie aber schon geworden, die schrägen Australier mit Wohnsitz in
den USA. Schräge Australier? Ja, das sind sie! Aber aus den verrückten
Aussies ist eine Band geworden, die
weiß, was sie kann, was sie will - und wie sie es tun muß.
Ein Verdienst von ständiger Selbstkontrolle, harter und langwieriger
Aufbauarbeit und natürlich auch vom "siebten Newsboy",
dem Produzenten Steve Taylor. Für ihr neues Album "Take me
to your leader" erhielten die Exil-Australier nicht nur allerbeste
Kritiken, sondern es kletterte auch in den
Billboard-Charts ganz weit nach oben. Jan Willem Vink und Jörg
Schwehn sprachen mit Mastermind Peter Furler über brennende Toaster,
das beste Konzert des vergangenen Newsboys-Jahres, über die Zukunft,
Pläne, Freuden und über die Frustrationen eines Songwriters.
Den typischen Aussie-Humor wird man in diesem Gespräch allerdings
vermissen, denn Peter Furler ist ja eigentlich gar nicht so ... verrückt.
FRAGE: Ihr habt mehrmals deutlich gemacht, daß
ihr eine Band seid, die für christlcihes Publikum spielt. Trotzdem
habt ihr jetzt einen Vertriebsvertrag mit der säkularen Firma Virgin
abgeschlossen. Hat sich bei euch was geändert?
PETER: Nein, es hat sich nichts geändert. Wenn du dir die Platte
anhörst, dann hörst du das, was wir sind: Christen. Die Leute
von Virgin kamen zu uns, weil sie von uns gehört hatten und weil
sie unsere Musik mochten. Ihnen war es egal, ob wir Christen sind oder
nicht. Und für uns war es wichtig, daß wir eine gute Platte
machen konnten, die unseren Entwicklungsstand als Christen und als Band
authentisch wiedergibt.
FRAGE: Was wird daraus nun entstehen?
PETER: Ich weiß nicht. Wir haben keinen besonderen Plan mit dem
Virgin-Vertrag verfolgt. Es kann sein, daß sich dort für
uns tolle neue Perspektiven auftun, es kann aber auch sein, daß
alles so bleibt, wie es ist. Es soll einfach ein Anfang sein. Das Schöne
in Amerika ist, daß du ganz schnell einen tollen Erfolg haben
und wahnsinnig bekannt werden kannst. Das Schlimme ist, daß du
aber ganz schnell wieder in Vergessenheit geraten kannst. Wir möchten
lieber einen langsamen und dauerhaften Weg gehen und haben nun einen
ersten Schritt getan.
FRAGE:
Du hast in einem Interview gesagt, daß eines der besten Konzerte
des vergangenen Jahres euer Auftritt in Köln war.
PETER: Stimmt. Die besten Gigs hatten wir in London und Deutschland.
Es waren nur 150 Leute in dem kleinen Club in Köln, aber die waren
unglaublich enthusiastisch, haben die Musik, die Atmosphäre und
die Botschaft genossen und aufgesaugt. In Amerika haben wir nicht so
viele Freiheiten und spielen selten in normalen Musik-Clubs. In Europa
und Australien gibt es für uns ganz andere Möglichkeiten.
Da spielen wir auch einfach mal in einem Pub und haben viel Kontakt
zu einem kleinen Publikum. Das Konzert in Deutschland hatte eine unglaubliche
Atmosphäre zwischen Band und den Leuten.
FRAGE: Ihr habt in den letzten beiden Jahren
einen großen Entwicklungsschub volzogen.
PETER: Ich glaube, wir haben uns in den letzten beiden Jahren sehr stark
entwickelt und unseren eigenen Weg verfolgt, ohne uns großartig
reinreden zu lassen. Das klinkt allzuoft dickköpfig und ist auch
allzuoft ein falscher Weg, aber wir kennen uns selbst besser als jeder
andere und wußten genau, was wir wollten. Daß die Platte
gut ankommt, dessen konnten wir nicht so sicher sein, deshalb waren
diese zwei Jahre auch eine harte Zeit der
Ungewißheit. Hätte man mir das prophezeit, daß wir
irgendwann dahin kommen, wo wir jetzt sind, ich hätte ihm kein
Wort geglaubt.
"Gott will mein ganzes
Leben. Und nicht nur das, was ich allein nicht schaffe."
FRAGE: Wenn man bedenkt, daß du die "Leader"-Songs
teilweise schon zwei Jahre mit dir herumträgst, ist es da nicht
frustrierend für dich, sie jetzt erst dem Publikum vorstellen zu
können?
PETER: Gute Frage. Es ist wahr. Oft denke ich bei einem Konzert, daß
jetzt der richtige Augenblick für dieses oder jenes Lied ist. Ein
Lied wie "Lost the plot", das mir sehr am Herzen liegt, hätte
häufig thematisch an einem bestimmten Punkt im Konzertprogramm
gepaßt. Weil wir aber mit unseren Arrangements noch nicht so weit
waren, konnte der Song halt nicht eingebaut werden. Richtig frustrierend
wird es, wenn man hinterher das Gefühl hat, daß dadurch gute
Chancen verschenkt wurden, irgend etwas bei den Leuten im Publikum zu
bewegen. Aber diese schrittweise Entwicklung muß ich akzeptieren.
Würden wir es anders machen, wäre ich an anderen Stellen frustriert.
FRAGE: "Lost the plot" ist ein besonderes
Lied für dich?
PETER: Gott hat diese Welt geschaffen. Ich finde seine Spuren überall,
und nichts in meinem Leben ist wichtiger als er. Das Lied ist entstanden,
nachdem wir von Australien nach Amerika umgezogen sind und weitaus mehr
Konzerte in vielen Ländern gespielt haben als vorher. Dabei habe
ich viele Menschen getroffen, viele Ansichten kennengelernt, die mir
vorher nicht bekannt waren. Oft mußte ich dabei an Menschen, die
mal Christen waren und nun keine mehr sind, weil sie sich in den vielen
Fängen dieser Welt, den Ideologien, den Ansichten, den Gegebenheiten
verstrickt haben - und nun ihre Beziehung zu Gott flöten gegangen
ist. Bei vielen Leuten sehe ich auch, daß sie vordergründig
nach wie vor Christen sind. Tatsächlich haben sie aber ihren gelebten
Glauben gegen schöne und gute Taten eingetauscht und glauben nun,
auf diese Weise ein gerechtes Leben führen zu können. Das
Lied will einladen - einladen zum Erkennen und auch einladen zum Hereinkommen.
FRAGE:
Sprichst du in dem Lied auch von einer eigenen Erfahrung?
PETER: Mir ist genau das passiert, daß ich Gott von meiner ersten
Stelle verloren hatte. Das war nicht so, daß er ganz offensichtlich
keine Rolle mehr spielte, sondern ich habe einfach den Kräften,
die mich an scheinbar wichtige Dinge binden wollten, nachgeben. So vieles
schien enorm wichtig zu sein, daß ich zu beschäftigt damit
war, um zu merken, daß ich mich überhaupt nicht richtig auf
Gott einlasse. Vieles bei mir war "mein Werk", also einfach
das, was ich bewirkte. Ich hatte aber keine richtig gelebte Beziehung
mit Gott, sondern folgte einem gerechten Lebensstil. Zehn Jahre, in
denen ich glaubte, ein guter Christ zu sein. Bis ich dann gemerkt habe,
daß Gott mein ganzes Leben haben will - und nicht nur zuständig
sein will für das, was ich allein nicht schaffte.
FRAGE: In eurer Band-Biographie heißt es,
daß der Prozeß, Gott näher zu kommen, auch gleichzeitig
der Prozeß ist, sich als Band weiterzuentwickeln.
PETER: Es hat eine Zeit gegeben, da mußten die Newsboys erkennen,
daß sie zuerst Christen sind und dann erst die Band. Der Erfolg
einer Band kann einen schon ganz schön durcheinander machen. Viele
Leute sehen uns als Rockstars und deswegen als etwas besseres an, als
wir tatsächlich sind. In Wirklichkeit sind wir ebenso normale Leute,
die genauso von Gottes Gnade abhängig sind wie jeder andere Mensch
auf der Welt auch. Als Band stehen wir immer wieder in der Gefahr, den
Leuten zu glauben, die uns auf ein Podest stellen wollen und uns mit
Huldigungen einlullen. Wir werden häufig an dem gemessen, was WIR
scheinbar machen. Wir sind aber nur Mittler des Retters, nicht der Retter
selbst. Keiner von uns kann eine Botschaft wirklich vermitteln, wenn
Jesus als Retter nicht eingreift.
"Immer in der Gefahr,
den Leuten zu glauben, die uns auf ein Podest stellen wollen."
FRAGE: Selbst in dem Lied "Breakfast",
wo es doch um das ernste Thema "Tod" geht, pflegt ihr euren
schrägen Humor.
PETER: Das ist unser Stil. Wir sind mal sechs Clowns, die einen feinen
Humor haben. Da ist klar, daß wir das in unsere Lieder kräftig
reinpacken. Christsein muß ja nicht todernst sein. Wir können
ja doch lachen und uns freuen, denn eigentlich haben wir doch den besten
Grund der Welt dazu. Und wenn wir in "Breakfast" witzige Textzeilen
von brennenden Toastern drin haben, dann hilft das lediglich, den Inhalt
besser zu verstehen. Solange wir ein ernstes Thema nicht blödsinnig
veralbern, finde ich das legitim. In "Breakfast" geht es um
den Tod und um eine Totenfeier. Letztes Jahr sind zwei sehr gute Freunde
von mir gestorben, die Christen waren. Es braucht zwar eine Weile, die
Trauer zu überwinden, aber jetzt freue ich mich riesig darüber,
weil ich weiß, daß sie jetzt bei Gott sind. Da kann ich
doch auch mal einen Witz machen und zu ihnen hochzwinkern.
FRAGE: Kommt ihr wieder nach Europa?
PETER: Es gibt einige Anfragen und wir denken intensiv darüber
nach. Es ist immer eine Sache der Kosten. Wenn zehn oder zwölf
Leute einen Flug nach Europa buchen, dann muß auf der anderen
Seite des Teiches schon jemand sehr interessiert sein, um diese Kosten
zu übernehmen. Da wir in Europa noch nicht so bekannt sind wie
in Amerika, ist es für jeden europäischen Konzertveranstalter
ein dickes Risiko, uns zu engagieren. Freuen würde es uns auf jeden
Fall, denn das Publikum in Europa, speziell in Deutschland, ist phantastisch.
Danke für das Gespräch!
Jan Willem Vink (26, rechts) ist rasender Musik-Reporter mit Wohnsitz
in Belgien. Jörg Schwehn (32) schaftt als freiberuflicher Journalist
im Schwabenländle. ««