Aus: "dran 7/2001" (August 2001)
Autor: Bettina Wendland
Web-Site: http://www.dran.de
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Phil Joel ist vieles: Bassist der Newsboys, Sänger auf seiner Solo-Scheibe,
Friseur, frisch gebackener Vater, blondgelockt - und manchmal auch überarbeitet.
Ein Porträt von Bettina Wendland und Jürgen Asshoff:
Newsboys-Bassist Phil Joel vollführt seit einem Jahr einen
Balanceakt zwischen zwei Stühlen: der Karriere als Solosänger
und seinem Job als Bassist bei den Newsboys. Und Vater ist er auch geworden.
Ein Porträt von Bettina Wendland.
Phil Joel:
"Mit der Zeit wurde es ein bißchen
viel"
Er hatte sich viel vorgenommen, vielleicht ein bißchen zuviel.
Als Phil Joel vor etwa einem Jahr seine Solo-CD "Watching Over
You" veröffentlichte, standen Pressetermine und eine umfangreiche
Tournee an, aber auf die Arbeit mit den Newsboys wollte er auch nicht
verzichten. Am Anfang fiel ihm das gar nicht so auf: "Da war es
einfach nur aufregend und spannend. Ich war voller Energie. Aber dann
wurde es doch ein bißchen viel mit der Zeit." Das Ganze gipfelte
in einem Zusammenbruch beim Rückflug von einem der vielen Konzerte:
"Ich war einfach nur müde", erinnert sich Phil, "ich
hatte nicht genug getrunken und definitiv zu wenig gegessen. Das war
wahrscheinlich das Peinlichste, was mir bisher passiert ist. Ich war
so erschöpft, dass ich auf dem Boden lag und einfach nur glücklich
war dort liegen zu können."
Nicht nur seine Solo-CD stellte Phil vor neue Herausforderungen, sondern
auch seine neuen Rolle als Vater. Am 15 Oktober vergangenen Jahres kam
seine Tochter Finley Elizabeth zur Welt. Nach Angaben ihres Vaters ist
sie "super süß" - wer hätte auch etwas anderes
vermutet ...? Damit er Finley und seine Frau Heather auch regelmäßig
zu Gesicht bekommt, nimmt Phil sie überall hin mit.
"Sie sind meine Freunde. Als Freunde wollen
sie das Beste für mich."
Am
richtigen Platz
Seine eigene Kindheit hat Phil Joel in Neuseeland verbracht. Als Baby
wurde er von Pflegeeltern adoptiert, die daraus von Anfang an keinen
Hehl gemacht haben. "Sie waren immer sehr offen", erinnert
sich Phil. Trotzdem gab es Schwierigkeiten, weil Phil und seine Eltern
sehr unterschiedlich waren. Mit 13 traf Phil eine Entscheidung: "Ich
beschloss für mich, dass es okay ist, auch wenn ich nicht genau
in ihre Welt passe. Ich nahm mir vor so zu werden, wie es in mir angelegt
ist." In diesem Zusammenhang war es für ihn sehr wichtig seine
leiblichen Eltern kennen zu lernen: "Nach dem Schulabschluß
habe ich eine Ausbildung zum Friseur gemacht und angefangen in einer
Band zu singen. Als ich meine leibliche Mutter traf, stellte sich heraus,
dass sie Perückenmacherin ist und mein Vater Musiker. Das war wie
eine Bestätigung." Und er ergänzt: "In diesem Moment
wurde mir klar, dass meine bisherige und zukünftige Entwicklung
mehr von meiner Beziehung zu Jesus abhängt als von meiner Natur
oder Erziehung."
Diese Abhängigkeit von Jesus wurde auch deutlich als Phil 1995
von den Newsboys gefragt wurde, ob er nicht als Bassist bei ihnen einsteigen
und in die USA kommen wolle. Auf die Frage, ob ihm der Abschied von
Neuseeland schwer gefallen sei, antwortet er: "Nun, es ging einfach
um die Frage, ob du tust, wozu du berufen bist. Die Umstände, in
die ich hineinkam, als ich nach Amerika zog, zeigten eindeutig, dass
Gott das so wollte. Wenn man weiß, dass man das tut, wozu man
berufen ist, bekommt man eine unbeschreibliche Freude und einen inneren
Frieden - und das kommt nur von Gott." Doch er räumt ein:
"Natürlich vermisse ich immer mal wieder mein Zuhause. Aber
trotzdem weiß ich, dass ich am richtigen Platz bin und dass Gott
möchte, dass ich das tue."
Fast
wie eine Therapie
Die Erfahrungen seiner immerhin 28 Jahre hat Phil Joel in den Songtexten
seiner Solo-CD verarbeitet. "Fast alle meine Lieder handeln von
Dingen, die ich in meinem Leben schon durchgemacht oder erfahren habe:
von Höhepunkten oder von Tiefpunkten. Aber alle Situationen und
Lieder zeigen, dass Gott mir dadurch immer etwas gezeigt, etwas beigebracht
hat." Für Phil war das Schreiben dieser Lieder fast wie eine
Therapie. "Das war gut für mich, ich brauchte das. Ich musste
erst zurückgehen in die Vergangenheit, bevor ich weiter nach vorn
gehen konnte." Und so singt Phil über seine Identität,
über alte Bekannte, die dem Glauben den Rücken gekehrt haben,
über den Tod eines Freundes oder über die Souveränität
Gottes in seinem Leben.
Musikalisch unterscheidet sich die Platte nicht grundlegend vom Newsboys-Sound.
"Es klingt schon irgendwie nach Newsboys", gibt Phil zu, "stilistisch
sind sich beide sehr ähnlich." Schließlich habe Newsboys-Frontmann
Peter Furler die Platte produziert. "Der größte Unterschied
ist, dass ich alles singe." Neben Peter Furler waren auch die Newsboys
Jeff Frankenstein (Keyboards) und Duncan Phillips (Drums & Percussion)
an der Produktion des Albums beteiligt. Eifersüchteleien habe es
unter den Band-Kollegen nicht gegeben. "Sie sind meine Freunde.
Als Freunde wollen sie das Beste für mich und ich möchte das
Beste für sie. Sie waren eine echte Ermutigung für mich",
erklärt Phil.
Mega-Event
"Watching Over You" war das erste Soloalbum eines Newsboys-Mitglieds.
Inzwischen hat allerdings auch Gitarrist Jody Davis Solopfade bestiegen
und eine CD mit dem Titel "Jody Davis" veröffentlicht.
Von Auflösungserscheinungen à la dc Talk kann aber keine
Rede sein. "Wir sind gerade dabei die nächste Newsboys-Platte
zu planen", betont Phil. Noch bis Ende September hält allerdings
ein ganz anderes Projekt die Newsboys in Atem, das "Festival Con
Dios", eine Mega-Veranstaltungstour, deren Konzept den Köpfen
der Bandmitglieder entsprungen ist: ein Festival mit jeweils mindestens
zehn Bands, darunter Größen wie Audio Adrenaline, OC Supertones,
T-Bone und natürlich Newsboys, das durch zwanzig US-Staaten tour
- mit einem transportablen Amphitheater, das 6.000 bis 8.000 Menschen
fasst. Neben der Musik werden Bike- und Motorradstunts geboten, es gibt
eine Predigt und die Jugendlichen können verschiedene Extremsportarten
selbst ausprobieren. In den USA hat dieses Event für Aufsehen gesorgt:
Das Magazin Newsweek nahm das Festival zum Anlass um über die Erfolgsgeschichte
der christlichen Musikszene zu berichten.
Seine Solokarriere verfolgt Phil Joel trotzdem weiter, in den engen
Terminplan packt er immer wieder auch eigene Konzerte. Aber wie löst
er nun die Spannung, einerseits Solist und andererseits Teil der Band
zu sein? "Gute Frage. Ich werde es dir mitteilen, wenn ich einen
Weg gefunden habe", erklärt er lachend.
--Jürgen Asshoff, Bettina Wendland
Bettina Wendland ist Redakteurin bei dran. Das Interview führte
Jürgen Asshoff. ««