Aus: sound7 (vom 4. Juni 2005)
Autor: Johannes Schnitter
Web-Site: http://www.sound7.de
»»
Wahrzeichen: Echt
Der Australier Paul Colman.
Vom Ende des Shires.
»Der Mann ist auch privat der Hammer!« schrieb Claas P.
Jambor über Paul Colman in seinem Tourtagebuch hier auf SOUND7.DE.
»Ich habe mich selten so gut mit jemanden verstanden.« Privat
ist er also nett. Und sonst?
Paul Colman. Er ist kein Unbekannter auf dem Radar der christlichen
Musikhörer. Vor acht Jahren fing er in der Indie-Szene in Australien
an, Soloalben zu veröffentlichen, bevor er mit dem »Paul
Colman Trio« in die USA übersiedelte. »PC3« veröffentlichte
zwischen 1999 und 2004 sieben Alben, mit denen sie schließlich
auch an die breite Öffentlichkeit traten. Ihre Popularität
wuchs und so überraschte es um so mehr, als die Band vor einem
Jahr eine Pause ankündigte, aus der schließlich eine komplette
Auflösung resultierte.
Über das »Paul Colman Trio« wurde an dieser und anderen
Stellen bereits viel geschrieben und es ist müßig diesen
Teil der Geschichte wieder zu beleuchten. Doch nun ist der Mastermind
der Band zurück und präsentiert ein neues Album: »Let
it Go«. Etwas gewagter und experementierfreudiger als die Alben
davor, scheint dem Australier die neue Freiheit gut bekommen zu sein.
Es
ist ein starkes Album geworden. Mit leicht folkigen Pop/Rocksongs und
bodenständigen (weil nicht abgehobenen) Anbetungstexten. Kritiker
und Rezensenten zeigten sich erfreut über die Qualität, die
Inhalte, die Arrangements, ach, alles. Hier passte und stimmte einfach
ein Album von vorne bis hinten. John DiBiase, vom amerikanischen »jesusfreakhideout.com«,
bilanzierte: »»Let it Go« ist ein Meilenstein in Paul
Colmans Karriere.«
Und auch die Fans konnten sich mit dem neuen Material sehr schnell
anfreunden »Gloria (All Gods Children)«, die
erste Single-Auskopplung, hielt sich für 16 Wochen an der Spitze
der australischen Charts.
Was kann man sich also mehr wünschen? Von den Kritikern geschätzt
und von den Fans geliebt. Ein bisschen ist die Geschichte Paul Colmans
die eines Bilderbuch-Christenmusikers. Der Vater ein Pastor, das Album
populär, glücklich verheiratet und ein Starbucksladen scheint
immer in der Nähe zu sein. Ein flüchtiger Blick weist Paul
als den typischen CCM-Künstler aus. Ganz normal eigentlich.
Aber
dann gibt es auch diese andere Seite. Dann gibt es einen Paul Colman,
der von sich sagt, dass er einen guten Teil seines Lebens sich selbst
gehasst hat. Einen Paul Colman, der in einem Interview Jesaja 53 als
sein Lieblingskapitel anführt und auswendig zitiert: »Er
wurde verachtet, von allen gemieden. Von Krankheit und Schmerzen war
er gezeichnet. Man konnte seinen Anblick kaum ertragen. Wir haben ihn
gemieden, ja, wir haben ihn sogar verachtet. Dabei war es unsere Krankheit,
die er auf sich nahm, er litt die Schmerzen, die wir hätten ertragen
müssen.«
Es sind Momente wie diese, in denen man anfängt zu erahnen, dass
im christlichen Nashville nicht immer alles auf der Sonnenseite ist.
Und es sind Zitate wie diese, die nachdenklich stimmen. Zu oft bekommt
man Weichspülverse zitiert. So sehr hat Gott die Welt und so. Verse,
die nett sind. Aber die ein verfälschendes Moment besitzen, weil
Sonne, Starbucks, Samtgemeinde immer in scheinbar greifbarer Nähe
liegen. Nashville, als symbolischer Ort für christliche Musik,
erscheint dabei manchmal wie das Shire in Tolkiens »Herr der Ringe«:
etwas zu perfekt um wahr zu sein.
Doch abseits von Hillsongsperfektion und Willow Creek-Eleganz gibt
es auf dem christlichen Markt wenig Leute, die dieses grundlegende Element
von Zerbrochenheit bekennen. Paul wird hier echt. Er wird hier tief.
Denn diese Statements bekennen Schwäche, Frustrationen und Kämpfe.
Dinge, die man wenig zu sehen und noch weniger zu hören bekommt.
Nicht
zuletzt sind diese Zeichen der Schwäche wahre Zeichen von Stärke.
Sie sind seine Wahr-Zeichen. Pauls Musik wird dadurch relevant, dass
er dieses Erleben eben nicht verschweigt, dass er menschelt, dass er
fällt, zweifelt und dass er eben auch den Neubeginn erlebt hat
und davon singen kann. Authentizität ist ein inflationär (ab-)genutztes
Schlagwort unserer Zeit. Pauls Authentizität jedoch ist stimmig,
denn nur in der Zerbrochenheit kann Gottes Gnade wirken, kann christliche
Musik überhaupt funktionieren.
Perfektion ist kein erstrebenswertes Selbstbild, Zerbrochenheit sollte
es sein. Paul Colman weist darauf hin. Seine Musik ist mehr als Fahrstuhlmusik,
sie ist mehr als Easy-Listening-Lobpreismucke. Denn sie wurzelt in tiefem
Erleben.
Erst dann macht Worship Sinn. So heißt es in »Gloria«:
»Alle meine Sünden sind weggewaschen, mit Liebe überdeckt,
bin gerettet durch Gnade. Darum lasst es die Erde hören [...] Singt
Gloria«. Das ist die Botschaft von einem Mann, der nicht nur privat,
sondern dessen Botschaft auch der Hammer ist.
--Johannes Schnitter ««